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Zukunft der Sportstätten

Von 22. Januar 2025Kein Kommentar

Interview mit Michaela Röhrbein (Vorstand Sportentwicklung DOSB)

Warum Multifunktionalität und Innovation der Schlüssel zur Rettung sind

 

  1. Frau Röhrbein, in München kämpfen wir mit einer knappen Verfügbarkeit bzw. einem Mangel von Sportstätten. Die Stadt wächst, die Sportflächen kaum. Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptgründe für diese Situation? Liegt es wirklich nur am fehlenden Platz?

Die knappen Verfügbarkeiten von Sportstätten beobachten wir nicht nur in München, sondern bundesweit. Die Zahl von etwa 230.000 Sportstätten ist seit vielen Jahren gleichbleibend und resultiert zum Großteil aus der vom Bund maßgeblich finanzierten Sportstättenbauinitiative der Goldenen Pläne in den 1960er- und 1970er-Jahren. Diese Sportstätten sind allerdings in die Jahre gekommen und viele entsprechen nicht mehr den aktuellen Bedürfnissen, befinden sich nicht an optimalen Orten oder bedürfen einer umfangreichen Sanierung und Modernisierung. 2018 haben wir in einer Kurzexpertise einen Sanierungsstau von 31 Milliarden Euro ermittelt, weshalb wir hier häufig auch von einem Finanzierungsproblem sprechen können. Allerdings ist die Frage der Finanzierung von Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen nicht leicht zu beantworten. Der Sport und damit auch die Sportinfrastruktur sind bislang eine freiwillige Leistung der Kommunen. In Zeiten knapper Haushaltskassen wird oftmals an den freiwilligen Leistungen zuerst gespart. Und das obwohl bekannt ist, welche positiven Effekte Sport und Bewegung auf Menschen haben, wie zum Beispiel die Stärkung der physischen und psychischen Gesundheit. Daher fordern wir schon seit vielen Jahren eine verstärkte und vor allem auch zielgerichtete und verstetigte finanzielle Förderung des Bundes für Sport- und Bewegungsräume, um die Bedarfe der Bevölkerung vor Ort in ihren Quartieren zu decken und insbesondere Sport und Bewegung für alle wohnortnah zu ermöglichen.

  1. Inwiefern spiegelt sich dieses Problem in anderen deutschen Großstädten wider, und was sind die Gemeinsamkeiten und Unterschiede?

Seit einigen Jahren hat vor allem in den Großstädten und den Metropolregionen das Bevölkerungswachstum eine zunehmende Dynamik angenommen, welches zu einem steigenden Bedarf an Wohnraum führt. Dadurch kommt es vermeintlich zur Flächenkonkurrenz zwischen Wohnraum und Flächen für Sport und Bewegung. Das heißt, kommunale Entscheider*innen meinen, dass sie festlegen müssen, ob sie neue Wohnungen und Häuser schaffen oder ob kommunale Infrastruktur wie Sportplätze errichtet werden sollen. Dabei haben dann Sport- und Bewegungsräume oftmals das Nachsehen – obwohl sich mit innovativen Konzept beides gut miteinander verbinden ließe. Dieses Phänomen tritt grundsätzlich in allen wachsenden Städten auf. Um diese Herausförderung zu lösen und den Blick auf Möglichkeiten zu lenken, benötigt es Menschen und Sportvereine, aber auch die kommunale Verwaltung, die auf die Notwendigkeit von Sport- und Bewegungsräumen und Sportentwicklungskonzepte aufmerksam machen.

  1. Welche innovativen Ansätze sehen Sie, um die Nutzung bestehender Sportstätten in deutschen Großstädten effizienter zu gestalten bzw. den städtischen Raum besser zu nutzen?

Wenn Sport- und Bewegungsräume fehlen, müssen Sportvereine und Städte kreativ werden. Nicht jede Sportart braucht spezielle Sporträume. In diesem Kontext sind zwei Stichworte entscheidend: Multifunktionalität und Multicodierung von Flächen. Multifunktionale Sportstätten sind Orte, die nicht spezialisiert sind und somit für mehrere Sportarten genutzt werden können. Ein Sportplatz kann beispielsweise Linierungen, Tore und Körbe für Hand-, Fuß- und Basketball besitzen, gleichzeitig aber auch als Laufbahn für Leichtathletik genutzt werden. Multicodierte Flächen sind Räume, die nicht nur für sportliche Zwecke geschaffen wurden, sondern auch weitere gesellschaftliche und kulturelle Aktivitäten wie z.B. Theateraufführungen, Konzerte oder Messen ermöglichen. Das kann zum Beispiel auch ein leerstehendes Gebäude in einem Industriegebiet sein, welches eine vielseitige Nutzung ermöglicht. Durch diese kreativen Lösungsmöglichkeiten können vorhandene und auch neue Räume effizienter genutzt und Bewegungsinseln geschaffen werden.

  1. Gibt es Best-Practice-Beispiele aus anderen Städten, die München übernehmen könnte?

Einige Kommunen haben bereits neue und innovative Ansätze für Sport- und Bewegungsräume entwickelt und umgesetzt. Der Sportpark Styrum in Mülheim an der Ruhr oder der Bildungs- und Sportcampus in Bürstadt sind nur zwei Beispiele, die individuelle und zukunftsorientierte Lösungen für Sport- und Bewegungsräume geschaffen haben, um knappe Flächen bestmöglich zu nutzen. Es kommen aber durchaus auch kleinere Lösungen in Frage. Mit dem vom Bundesministerium des Innern und für Heimat geförderten ReStart-Programm des DOSB im Jahr 2023 wurden 150 SportBoxen an Kommunen in Deutschland verteilt. Diese stehen allen Menschen zur Nutzung zur Verfügung und sind niedrigschwellig zugänglich. Mittels einer App über das Smartphone kann die SportBox gebucht und geöffnet werden.

Dieses Bewegungsangebot braucht nur wenig Platz und kann deshalb direkt in Wohngebieten eingerichtet werden. So wird es möglich, viele Menschen direkt vor ihrer Haustür zur Bewegung zu motivieren.

  1. Welche Folgen hat der Mangel an Sportflächen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Wir sprechen immer von der Bedeutung des Vereinssports und des Vereinslebens für junge Menschen – was passiert, wenn sie keinen Platz mehr im Verein finden?

Zum einen führt ein Mangel an Sportflächen dazu, dass Sport und Bewegung nicht ausgeübt werden kann, da ohne Sportstätten schlichtweg kein Sport möglich ist. Wir erleben schon jetzt, dass zahlreiche Menschen, insbesondere Kinder und Jugendliche, zunehmend unter Bewegungsmangel im Alltag und den physischen und psychischen Folgen leiden.

Zum anderen sind Sportvereine mehr als nur Orte für Bewegung – sie sind soziale Treffpunkte, die Menschen zusammenbringen. Jedes zweite Kind ist Mitglied in einem Sportverein, wo Menschen aus unterschiedlichen Lebensbereichen und sozialen Schichten nicht nur zusammen Sport treiben, sondern sich austauschen, Freundschaften schließen und sich gegenseitig unterstützen. Sport fördert unsere Gesundheit, lässt uns gut fühlen und vernetzt uns mit anderen Menschen. Für Kinder, Jugendliche oder Ältere sind Sportvereine unverzichtbare Orte der Begegnung. Zudem werden in Sportvereinen auch demokratische Prozesse er- und gelebt, etwa bei der Wahl der Vorsitzenden oder der Jugendvertretungen.

Diese positiven Effekte sind schwer zu ersetzen. Mir fällt nichts ein, was respektive wer diese wichtige Funktion übernehmen könnte, wenn Bewegung und Sport in Vereinen durch fehlenden Sportraum eingeschränkt wird.

  1. Welche langfristigen Strategien sollten Städte wie München verfolgen, um den steigenden Bedarf an Sportstätten nachhaltig zu decken – mit Fokus auf den Kinder- und Jugendsport?

Für alle Städte, Gemeinden und Landkreise ist es sinnvoll, sich strategisch mit dem Thema Sport und Stadtentwicklung auseinanderzusetzen. Ein mögliches Instrument hierfür ist eine kommunale Sportentwicklungsplanung. Hierbei werden die örtlichen Rahmenbedingungen für Sport und Bewegung analysiert und mit den Bedarfen der lokalen Bevölkerung abgeglichen. Anschließend werden daraus Strategien abgeleitet, um unter anderem auf demographische Entwicklungen und gesellschaftliche Veränderungen einzugehen und Sport- und Bewegungsräume zukunftsfähig zu entwickeln. In diesem Zusammenhang ist es entscheidend, dass Sportvereine aktiv an diesem Prozess teilnehmen. Nur so kann sichergestellt werden, dass auch der Kinder- und Jugendsport in zukünftigen kommunalen Strategien angemessen berücksichtigt wird.

  1. Was können junge Menschen und engagierte Vereinsmitglieder konkret tun, um die Situation der Sportstätten in ihrer Stadt zu verbessern?

In Deutschland sind etwa zwei Drittel der 230.000 Sportstätten in kommunaler Hand, während ein Drittel von Vereinen betrieben wird. Besonders in größeren Städten werden die meisten Sportstätten von den Kommunen verwaltet. Daher ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Sportvereinen und Kommunen entscheidend, damit die Bedürfnisse der Vereine und ihrer Mitglieder in den Stadtentwicklungsprozessen berücksichtigt und langfristig umgesetzt werden. Um die Sportinfrastruktur bestmöglich zu nutzen und weiterzuentwickeln, braucht es starke Partnerschaften mit den Kommunen, für die sich die Menschen in den Vereinen und Kommunen einsetzen müssen.

 

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