
Es ist Zeit, das Schweigen zu brechen. Sexualisierte Gewalt im Sport ist kein Einzelfall, sondern bittere Realität – das wissen wir alle. Als Münchner Sportjugend sind wir der Überzeugung: Prävention kann nur wirksam funktionieren, wenn wir das Thema enttabuisieren und unsere Kinder und Jugendlichen stärken. Denn nur durch eine offene Gesprächskultur und gezielte Stärkung der jungen Menschen können wir einen Safe Space im Sport schaffen.
Präventionsarbeit kann erst nachhaltig funktionieren, wenn wir aufhören, über sexualisierte Gewalt zu schweigen und beginnen, offen darüber zu sprechen. Nur wenn wir das Thema ohne Scham und falsche Zurückhaltung anpacken, schaffen wir eine Atmosphäre, in der sich Kinder und Jugendliche sicher fühlen, ihre Rechte kennen und gestärkt durch den Sport heranwachsen. Jeder einzelne Fall von sexualisierter Gewalt ist einer zu viel. Als Sportgemeinschaft haben wir die Verantwortung, aktiv hinzusehen und zu handeln.
Kein Fortschritt ohne Enttabuisierung
Kinder lernen durch Nachahmung. Und wenn wir Erwachsene es kaum schaffen über das Thema sexualisierte Gewalt sprechen oder dem Thema gänzlich ausweichen, nehmen unsere Kinder das auch so wahr. Sie adaptieren dieses Verhalten. Sie lernen: Über dieses Thema spricht man nicht. Und genau darauf zählen Täter*innen.
Solange wir das Thema nicht ansprechen, bleibt es im Verborgenen und Übergriffe können teils über Jahre hinweg weiter geschehen. Es ist an der Zeit, sexualisierte Gewalt aus der Tabuzone zu holen und in den Vereinen, in der Gesellschaft offen darüber zu sprechen.
Was müssen wir tun? Enttabuisierung! Es muss in jedem Verein ganz klar und laut kommuniziert werden: Sexualisierte Gewalt wird bei uns nicht geduldet! Alle Trainer*innen, Ehrenamtlichen, Eltern und natürlich die Kinder und Jugendlichen selbst müssen wissen, dass dieses Thema im Verein Platz hat und aktiv besprochen wird. Nur so schaffen wir eine Atmosphäre, in der Grenzverletzungen erkannt und angesprochen werden können. Ohne einen offenen Diskurs bleiben Übergriffe unerkannt, und Betroffene schweigen aus Angst, nicht ernst genommen zu werden.
Darum müssen wir JETZT darüber sprechen:
- Problembewusstsein stärken: Wir können nur dann richtig handeln, wenn wir das Problem verstehen. Ein offener Diskurs führt zu mehr Wachsamkeit und der Fähigkeit, problematische Verhaltensweisen zu identifizieren.
- Vertrauen für Betroffene aufbauen: Kinder und Jugendliche öffnen sich nur, wenn sie in einer Umgebung sind, die sie ernst nimmt und in der offen über Probleme gesprochen wird. Schweigen führt dazu, dass sich Betroffene allein und hilflos fühlen. Eine Kultur der Offenheit gibt ihnen den Mut, sich anzuvertrauen.
- Abschreckung für Täter*innen: Eine klare und nach außen sichtbare Haltung des Vereins zeigt deutlich, dass jegliche Gewalt nicht geduldet wird. Das Wissen, dass in einem Verein wachsam gehandelt wird, kann Täter*innen abschrecken und Übergriffe verhindern.
- Sicherheit für Trainer*innen und Betreuende: Ein systematisches Präventionskonzept gibt allen im Verein eine klare Handlungsanleitung. Gerade für Übungsleitende ist es wichtig, sicher zu wissen, wie sie im Verdachtsfall reagieren müssen. Unsicherheit oder Unwissenheit sind keine Option, wenn es darum geht, Kinder und Jugendliche zu schützen.
Kinder und Jugendliche stärken – unser größtes Potenzial
Enttabuisierung allein reicht nicht aus. Wir müssen Kinder und Jugendlichen aktiv darin unterstützen, für sich selbst einzustehen. Sportvereine bieten eine hervorragende Plattform, um die Selbstbestimmung und Selbstbehauptung von jungen Menschen zu fördern. Doch dafür reicht es nicht, einfach nur Training anzubieten – wir müssen bewusst daran arbeiten, den jungen Sportler*innen die Fähigkeiten zu vermitteln, die sie im Sport und darüber hinaus stark machen.
- Körperliche Selbstbestimmung: Im Sport lernen junge Menschen, Grenzen zu setzen und auf ihren Körper zu hören. Dieses Wissen müssen wir gezielt fördern, damit sie stark und selbstbewusst agieren können. Körperliche Selbstbestimmung ist eine der wichtigsten Fähigkeiten, die wir ihnen mitgeben können. Viele sportliche Aktivitäten bieten die Möglichkeit, das Bewusstsein für die eigene Körperwahrnehmung zu schärfen und persönliche Distanzschwellen zu erkennen und zu verteidigen.
- Aufklärung über Rechte: Kinder und Jugendliche müssen ihre Rechte kennen. Sie müssen wissen, dass sie das Recht auf Gewaltfreiheit und sexuelle Selbstbestimmung haben – und sie müssen wissen, wo sie sich Hilfe holen können, wenn gegen ihre Rechte verstoßen wird. Es ist unsere Pflicht als Erwachsene mit ihnen darüber zu sprechen. Das sind keine „unangenehmen“ Themen, das sind überlebenswichtige Themen! Wer seine Rechte kennt, kann Grenzüberschreitungen besser erkennen und sich wehren.
- Mitbestimmung und Partizipation: Selbstbestimmung geht Hand in Hand mit Mitbestimmung. Kinder und Jugendliche, die im Verein ernst genommen werden und aktiv in Entscheidungen einbezogen werden, entwickeln ein starkes Selbstvertrauen. Indem sie Aufgaben im Verein übernehmen oder ihre Meinung in den Trainingsalltag einbringen dürfen, wird ihr Verantwortungsbewusstsein gestärkt. Sie fühlen sich ernst genommen und als Teil der Gemeinschaft, was wiederum ihr Vertrauen in den Verein und in ihre eigenen Fähigkeiten fördert
Partizipation bedeutet, dass junge Menschen Verantwortung übernehmen können – sei es in Form von Aufgaben im Verein oder durch die Mitgestaltung von Präventionsmaßnahmen. Wenn sie sich aktiv an der Entwicklung von Regeln und Schutzmaßnahmen beteiligen, setzen sie sich viel stärker dafür ein. Ihre Perspektive und ihre Erfahrungen sind entscheidend, um problematische Situationen frühzeitig zu erkennen.
Trotz aller Bemühungen um Mitbestimmung und Stärkung junger Menschen dürfen wir nicht vergessen, dass die Verantwortung in erster Linie bei uns Erwachsenen liegt. Es ist unsere Pflicht als Trainer*innen, Betreuer*innen und Vereinsmitglieder, eine sichere Umgebung zu schaffen und hinzusehen, wenn etwas nicht stimmt. Kinder und Jugendliche können vieles – aber wir Erwachsenen sind in der Verantwortung für die Sicherheit der jungen Menschen zu Sorgen!
Gemeinsam hinsehen und handeln
Der Schutz unserer Kinder und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt ist eine Aufgabe, die wir gemeinsam anpacken müssen. Als Münchner Sportjugend fordern wir alle Vereine und Verbände auf, das Thema sexualisierte Gewalt offen und ohne Scham anzusprechen. Nur durch Enttabuisierung und die gezielte Stärkung unserer jungen Mitglieder können wir sicherstellen, dass der Sport ein sicherer Ort bleibt.
Lasst uns nicht wegsehen. Lasst uns gemeinsam Verantwortung übernehmen – für den Schutz und die Zukunft unserer Kinder.